Ernährungsformen sind so vielfältig wie die Menschen. Es heißt zwar oft „Liebe geht durch den Magen“, aber zu kaum einem Thema geht es am Familientisch so heiß her, wie bei der Diskussion über vegetarisch, mit Fleisch oder doch vegan. Was gesunde Ernährung vor allem auch im Krankenhaus ausmacht und was das Klima damit zu tun hat, haben wir mit Expert:innen in den tirol kliniken besprochen.
Wie schaut gesunde Ernährung aus? So individuell wie die Geschmäcker ist auch die Antwort von Alexander Höller, Leitender Diätologe an der Innsbrucker Klinik:
„Für einen jungen Menschen ohne Vorerkrankungen ist eine andere Ernährung gesund als für einen chronisch Erkrankten oder eine multimorbide Patientin mit 70 Jahren“
Alexander Höller
„Wir unterscheiden hier zwei verschiedene Aspekte von Ernährung: Einmal gehört Ernährung zu unserem Lebensstil, der unsere Gesundheit negativ oder positiv beeinflussen kann. Auf der anderen Seite haben wir kranke Menschen, wo Essen plötzlich relevant für Genesung wird.“
Diätologe Alexander Höller und Küchenchef Josef Lindner im Gespräch.
Am Landeskrankenhaus Innsbruck bereitet die Großküche 23 unterschiedliche Kostformen für Patient:innen zu. Ob leichte Vollkost, glutenfrei oder auch passiert – die Bedürfnisse sind oft sehr unterschiedlich. „Im Krankenhaus sehen wir viele Menschen mit krankheitsassoziierter Mangelernährung. Da ist es zentral, dass wir die Energie- und Nährstoffversorgung sicherstellen“, beschreibt Höller, der mit seinem Team im regelmäßigen Austausch mit der Küche steht. „Es ist belegt, dass eine individualisierte Ernährungsform bei komplexen Erkrankungen relevant für die Genesung ist.“ Ein Grund, weshalb Ernährung in der medizinischen Gesamttherapie immer wichtiger wird.
Wenn wir über Vorsorge sprechen, dann ist es inzwischen von vielen Seiten belegt, dass pflanzenbasierte Ernährung gesundheitsfördernd ist“
Alexander Höller
hält Höller fest. Pflanzenbasiert, das bedeutet: viel Gemüse, Obst und Hülsenfrüchte, wenig Fleischprodukte. Eine Aussage, die auch der Innsbrucker Gastroenterologe Timon Adolph stützt:
„Viele Erkrankungen, die in unserer Gesellschaft in den letzten Jahren zugenommen haben, stehen in Zusammenhang mit unserer westlichen Ernährungsform.“
Timon Adolph
Das Team der Diätologie ist engem Austausch mit der Küche.
Verganges Jahr hat der Mediziner an eine Überblickstudie mitveröffentlicht, die wissenschaftliche Untersuchungen zur Gesundheits relevanz von Ernährung zusammen fasst. Die Erkenntnis: Wir essen zu viel Zucker, zu viel Fleisch und zu viel hochverarbeitete Lebensmittel. Eine Kombination, die unserer Gesundheit schadet. „Ich wage zu behaupten, dass die meisten modernen Erkrankungen von Ernährung beeinflusst sind. Medizinisch gesichert wissen wir es für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, also eine Erhöhung des Herzinfarkt- und Schlaganfallrisikos, aber auch bei entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder gewissen Krebserkrankungen kann Ernährung das Erkrankungsrisiko und die Krankheitsentwicklung beeinflussen“, führt Adolph aus. Häufige Ursache für die Erhöhung des Erkrankungsrisikos von Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Cholesterin. Und zwar Cholesterin, das wir meist nicht selbst produzieren, sondern ausschließlich über unsere tierische Nahrung aufnehmen.
Unsere Ernährung die beste Medizin: Alexander Höller, Sabine Scholl-Bürgi und Timon Adolph (v.li) informierten heuer bei den Tiroler-Gesundheits gesprächen.
Erkenntnisse, die auch in den offiziellen österreichischen Ernährungsempfehlungen Einzug fanden: Vergangenes Jahr wurde eine überarbeitete Version der Ernährungspyramide veröffentlicht. Auffällig dabei ist, dass auch hier das Verhältnis von pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln verschoben wurde: Der tägliche Nährstoffbedarf soll mit Obst, Gemüse, Getreide und Milchprodukten gedeckt werden, Fisch und Fleisch werden nur noch einmal pro Woche empfohlen. Parallel zur Mischkost wurde auch eine rein vegetarische „Pyramide“ veröffentlicht. Auf der Webseite des Bundesministeriums für Gesundheit heißt es, dass die Aktualisierung notwendig gewesen sei und bei der Überarbeitung „Klima- und Gesundheitsparameter“ einbezogen wurden.
Unsere Ernährung ist klimarelevant
Sabine Scholl-Bürgi
"Unsere Ernährungs ist klimarelevant", ist Pädiaterin Sabine Scholl-Bürgi überzeugt. Anfang des Jahres diskutierte sie gemeinsam mit Höller und Adolph am Podium bei den Tiroler Gesundheitsgesprächen zum Thema „Unsere Ernährung – die beste Medizin“. „Rund ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen sind auf unser Ernährungssystem zurückzuführen. Dem entsprechend ist Ernährung auch ein Hebel für Klimaschutz. Internationale Expertinnen und Experten haben die Planetary Health Diet entwickelt, eine Ernährungsempfehlung für Mensch und Klima.“ Scholl-Bürgi arbeitet nicht nur gezielt mit Ernährungstherapien bei chronisch kranken Kindern, sondern engagiert sich seit Jahren für das Thema Nachhaltigkeit im Krankenhaus.
„Die Planetary Health Diet und die österreichische Ernährungsempfehlung haben viele Schnittmengen“, verknüpft auch Diätologe Höller die beiden Ernährungsempfehlungen. Was unser Körper braucht und was uns schmeckt bleibt eine individuelle Frage. Eine überlegte Ernährung kann allerdings eine Win-Win-Situation sein – gesund für uns und unsere Umwelt.